Stationen des historischen Rundgangs: Gemeinde Kirchardt

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Stationen des historischen Rundgangs

von Dr. Joachim Hartmann

Historischer Rundgang im Ortsteil Berwangen - die Stationen

1 Heilig-Kreuz-Kirche

Erbaut 1872 nach den Plänen von Karl August Schwarz, einem Schüler von Friedrich Weinbrenner. Weinbrenner war ein bekannter Architekt und Städtebauer des Klassizismus und einer der einflussreichsten Architekturlehrer seiner Zeit und Autor des ersten deutschen Denkmalschutzgesetzes.

In Berwangen wurde bereits im Jahre 1352 zum ersten Mal eine Kirche erwähnt.

Die ehemalige Kirche St. Crux (zum Heiligen Kreuz), auf deren Platz die heutige Kirche steht, stammt aus dem Jahre 1496.

Kirche und Kirchhof waren früher durch eine Schutzmauer und wohl auch einen Wassergraben geschützt, die den Dorfbewohnern bei Gefahr Schutz boten. Die Stützmauer zur Lindengasse hin entspricht dem Verlauf dieser Schutzmauer.

Leider war dieser Schutz nur bedingt gegeben.

So wurde die Kirche im Jahre 1622 während des 30-jährigen Krieges von marodierenden kroatischen Truppen der Katholischen Liga Tillys niedergebrannt und zerstört.

Im Jahre 1677 wurde die Kirche erneut zerstört, als während des pfälzischen Erbfolgekriegs eine in die Flucht geschlagene kaiserliche Reitertruppe das Dorf heimsuchte und die Berwanger Kirche niederbrannte und dabei sechs Menschen tötete. Ein Teil des Dorfes brannte dabei mit ab.

2 Berwanger Nudelschneider

Die Statue, die auf den Uznamen der Berwanger zurückzuführen ist, wurde anlässlich der 1225-Jahr-Feier von Berwangen im Jahre 2018 eingeweiht. Der Uznamen spielt auf die Vorliebe der Berwanger für Nudeln an, die bitte schön „breit“ sein müssen.

Inzwischen hat sich der Nudelschneider zum heimlichen Hüter des Kirchplatzes gemausert, weil sich viele Passanten vor allem in den Abendstunden von seiner Anwesenheit überraschen lassen.

3 Ehemaliges Pfarrhaus

Das im Jahre 1824 in der Salinenstraße 17 erbaute Pfarrhaus diente bis ins Jahr 2006 den Berwanger Pfarrern als Wohnsitz. Gleichzeitig beherbergte das Pfarrhaus auch das Pfarrbüro. Seit 2006 hat die evangelische Kirchengemeinde Berwangen keinen eigenen Pfarrer mehr. Deshalb wurden die Wohnräume, die nicht mehr benötigt wurden, zunächst vermietet. Im Jahr 2020 wurde das Gebäude an privat verkauft.

4 Jupiter-Gigantensäule

Im Jahr 1957 wurde bei Bauarbeiten auf dem Anwesen „Salinenstraße 4“ die Reste einer Jupiter-Gigantensäule entdeckt und „Jupiter sei Dank“ nicht einfach „weggebaggert“, sondern dem Landesdenkmalamt gemeldet. Sie befindet sich heute im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe und gehört zu den am besten erhaltenen Säulen aus dieser Zeit, obgleich das Jupiterbildnis fehlt.

Eine originalgetreue Kopie der Jupiter-Gigantensäule steht seit der 1200-Jahr-Feier im Jahr 1993 auf dem Kirchhof in Berwangen.

Der Sockel der Jupiter-Gigantensäule
Leider wissen wir nicht, welche Leistung Candidus Vintrionis von Jupiter, dem obersten Gott des römischen Götterhimmels, verlangt hat. Aber er hat das damit verknüpfte Gelübde gehalten und einen Bildhauer beauftragt, die sicherlich nicht billige Säule anzufertigen und aufzustellen.

Der Fund der Jupiter-Gigantensäule, aber auch vieler anderer Gegenstände römischen Ursprungs, zeugen von einer intensiven römischen Vergangenheit, die sich auch im Bewusstsein der Berwanger festgesetzt haben muss. Dafür sprechen auch Gewannnamen wie Venusbuckel und Bildäcker - dem Fundort der Jupiter-Gigantensäule -, die sich bis heute erhalten haben.

5 Ehemalige Viehwaage

Das „Wieghäusle“ in der Lindengasse stammt aus der Zeit, als in Berwangen noch intensiv Viehwirtschaft betrieben wurde. Die letzte Wiegung - ein Spanferkel für das Schlachtfest der SG Kirchardt - fand am 19. November 2008 statt. Die Waage selbst ist noch funktionsfähig, darf aber wegen der fehlenden Eichung nicht mehr eingesetzt werden.

Tabakanbau in früheren Zeiten

Im Spätjahr, wenn es nicht mehr so heiß war und der zuvor im Tabakschopf der Gemeinde getrocknete Tabak ein wenig Feuchtigkeit gezogen hatte, war es für die Berwanger Tabakbauer Zeit, ihre Tabakernte zu verkaufen. Dazu kamen Vertreter der Tabakindustrie - hauptsächlich der Marke „Roth Händle“ - nach Berwangen, um die Ernte zu kaufen. Dann standen die Berwanger in Schlangen vor dem Wieghäusle. Die einzelnen Chargen wurden im Nebenraum des Wieghäusles auf dem sogenannten „Bonitätstisch“ begutachtet und klassifiziert und somit der Preis festgelegt, was nicht immer Zustimmung bei den Erzeugern fand. Kleinere Mengen wurden auf der Viehwaage, größere Mengen auf der nicht mehr vorhandenen Brückenwaage vor dem Wieghäusle verwogen.

6 Ehemaliges Schulhaus

Das ehemalige Schulhaus in der Lindengasse 3 wurde im Jahre 1820 erbaut. Neben den Schulräumen war in dem Gebäude noch die Wohnung für den Lehrer untergebracht.

Nach dem Neubau des Schulgebäudes in der Hausener Straße um das Jahr 1900 wurde das Gebäude dann als „Kinderschule“ genutzt.

Der „Spielgarten“ der Schule und auch der Spielplatz der späteren Kinderschule befand sich schräg gegenüber dem Schulgebäude auf dem Kirchhof hinter der Kirche in Richtung Pfarrhaus im Bereich der „Luthereiche“.

Nach dem Neubau des Kindergartens in der Höhenstraße im Jahre 1972 wurde das Gebäude an privat verkauft und umgebaut. Dabei wurde auch der Eingang zum Gebäude auf die Giebelseite verlegt. Der Eingang zum Gebäude, als dieses noch als Schule oder Kindergarten genutzt wurde, befand sich auf der Längsseite, wie auf diesem Bild zu erkennen ist.

7 Ehemaliges Milchhäusle

Das in den dreißiger Jahren erbaute Milchhäusle in der Lindengasse 10 war die Anlieferstelle für die Milchproduktion der zahlreichen Berwanger Milchbauern. Die Milch wurde dabei sowohl morgens als auch abends angenommen.

Außerdem war das Milchhäusle die „Kommunikationszentrale“ des Dorfes, bei der die täglichen Neuigkeiten ausgetauscht und hie und da zarte Bande geknüpft wurden.

Mit dem „Sterben“ der vielen kleinbäuerlichen Milchviehbetriebe in den sechziger und siebziger Jahren und dem Einbau von Milch-Kühlsystemen bei den größeren Betrieben vor Ort gingen die Milchanlieferungen stark zurück, so dass der Betrieb der Annahmestelle eingestellt wurde. Die letzte Anlieferung war im August 1984 durch den Landwirt Wilhelm Lörz.

8 Ehemaliges Gemeindekühlhaus

Direkt an das Milchhäusle schloss sich das ehem. Gemeindekühlhaus an.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten sich in Deutschland nur wenige eigene Kühlschränke und oder gar Gefriertruhen und Gefrierschränke leisten. Deshalb wurden vielerorts, so auch in Berwangen, sogenannte Gefriergemeinschaftsanlagen gebaut.

Dort konnten die Berwanger vor allem größere Fleisch- und Wurstmengen von den damals üblichen und weit verbreiteten Hausschlachtungen aufbewahren.

Dazu wurde das Fleisch nach der Schlachtung zunächst in haushaltsgängige Portionen verpackt, dann in einem Vorkühlraum „vorgefrostet“ und anschließend in ein Tiefkühlfach eingelagert. Jeder Haushalt hatte sein eigenes Kühlfach, dass mit einem Vorhängeschloss vor fremdem Zugriff gesichert war. So war gewährleistet, dass sich die Menschen durchgehend versorgen konnten.

Nachdem in den sechziger und siebziger Jahren sich immer mehr Haushalte eigene Kühlgeräte anschafften, wurde das Gemeindekühlhaus stillgelegt und später als Wohnraum genutzt.

9 Altes Rathaus

Hausener Straße 11

Erbaut 1787, beherbergte das Rathaus Mitte des 19. Jahrhunderts neben der Rats-, Schreib- und Wachstube auch das Gemeindebackhaus und die Wohnung des Hausbäcks. Außerdem befand sich in den Kellerräumen die Arrestzelle, im Volksmund „s`Loch“ genannt. Heute ist das Gebäude im Eigentum der Liebenzeller Mission und dient dieser als Gemeindehaus.

10 Ehemalige Poststation Engelhardt

Das Gebäude in der Hausener Straße 13 ist ein geschlossener Vierseithof aus dem Jahr 1843, erbaut durch Johann August Engelhardt, einem Weltenfahrer, der als einfacher Metzgersgeselle auszog und als steinreicher Plantagenbesitzer nach Berwangen zurückkehrte. Ein Erfolg, den ihm die Berwanger, aber auch seine eigene Familie, nicht gönnten. Er wurde überfallen, ausgeraubt und sein Haus angezündet und es wurde kein Kübel Wasser zur Löschung beigeschafft.

So hat Engelhardt es in seinem Lebensbericht geschildert. Letztlich starb er als alter, vergrämter, von seinen Mitmenschen missverstandener Mann.

11 Wasserweiblenhaus

Hausener Straße 28

Das älteste Gebäude Berwangens wurde im Jahre 1691 erbaut und zeichnet sich durch sein prächtiges Giebelfachwerk aus. Das Haus wurde 2018 komplett saniert.

Die beiden geschnitzten Holzscheiben in der Giebelwand lieferten die Vorlage für die Geschichte von den Berwanger Wasserweiblen, die ein blutiges Ende fanden und in der dieses Haus eine entscheidende Rolle spielt (nachzulesen in „Ein 2. Heimatbuch“ der Gemeinde Kirchardt).

12 Ehemaliges Schafhaus

Hausener Straße 33

Das im Jahre 1782 erbaute Gebäude ist ein Zeugnis für die früher weit verbreitete Gemeindeschäferei in unserer Gegend. In diesem Gebäude waren sowohl die Schafe der Gemeinde, als auch der Schäfer selbst, nebst Stroh und Futter, untergebracht.

In den späteren Jahren diente das Gebäude als Armenhaus, bis es in den zwanziger Jahren an Privat verkauft wurde.

Von der ehemaligen Bausubstanz sind nach intensiven Umbaumaßnahmen in den neunziger Jahren nur noch die Grundmauern und Teile der Giebelseite inklusive des Torbogens erhalten, durch den früher die Schafe getrieben wurden.

Anmerkung zur nachfolgenden Zeichnung:
Da es sich bei einem Schafhaus um ein Zweckgebäude handelte und Eichenholz im 18. Jahrhundert knapp geworden war, verwendete der Zimmermann andere, qualitativ schlechtere Hölzer zum Bau des Gebäudes. Beim Umbau in den neunziger Jahren waren die Hölzer des Fachwerks in einem so schlechten Zustand, dass es nicht erhalten werden konnte.

13 Ehemalige Obere Mühle

Fürfelder Weg 1

Das Gebäude der Oberen Mühle wurde im Jahr 1753 vom Müller Paul Greb und dessen Frau Maria Margareta erbaut.

Es ist aber davon auszugehen, dass schon lange vorher an dieser Stelle eine Mühle stand.

Die Obere Mühle hatte ein oberschlächtiges Mühlrad, das heißt, das Wasser wird, wie auf der Zeichnung von Karl Fischer zu sehen ist, über das Mühlrad geleitet.

Das Wasser für den Betrieb der Mühle stammt vom Birkenbach, dessen Wasser weit oberhalb des Dorfes im heutigen Industriegebiet „Am Kandel“ gestaut und über den oberen Mühlkanal entlang des Fürfelder Weges zur Mühle geleitet wurde.

Heute stehen nur noch die Scheune und ein Stallgebäude. Das Hauptgebäude der Mühle wurde 2010 abgerissen. Dabei ging auch der Stein mit Inschrift verloren.

14 Ehemalige Untere Mühle

Salinenstraße 43

Die Gebäude der heutigen Unteren Mühle wurde im Jahre 1777 erbaut. Aber auch hier ist davon auszugehen, dass schon vor deren Bau eine Mühle an dieser Stelle stand.

Auch diese Mühle wurde durch ein oberschlächtiges Mühlrad angetrieben. Das für den Antrieb des Mühlrades notwendige Wasser stammt ebenfalls vom Birkenbach, der dazu auf Höhe der Hausener Straße gestaut wurde. Das Wasser wurde unterhalb des Dorfes im Mühlkanal zur Unteren Mühle geleitet. Der Verlauf des Mühlkanals entspricht dem des heutigen Wiesenweges.

Der Mühlenbetrieb wurde im Jahre 1969 endgültig eingestellt. Das Gebäude wird heute als Wohn- bzw. Beherbergungsgebäude genutzt.

Bedeutende jüdische Gebäude und Plätze

1 Ehemalige jüdische Schule

Badersgasse 2

Die ehemalige jüdische Schule wurde um 1845 zusammen mit der angebauten Synagoge errichtet. Im ersten Stock befand sich die Lehrerwohnung. Hier erhielten die jüdischen Kinder, die im Übrigen die christliche Schule in Berwangen besuchten, Religionsunterricht durch einen eigenen Religionslehrer. Seit den 1920er Jahren wurde der Unterricht nur noch dann erteilt, wenn der Rabbiner, meist zum Schächten, ins Dorf kam. Die „Judenschule“ wurde in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 nur deshalb nicht zerstört, weil zu dieser Zeit bereits eine nichtjüdische Familie das Gebäude bewohnte. Die auf dem Dachboden gelagerten Möbel und das Inventar von geflohenen jüdischen Mitbürgern wurden von den Schlägertrupps der SA auf den Sportplatz (heutiger Tennisplatz) verbracht und angezündet.

2 Ehemalige Synagoge

Badersgasse 4

Die Synagoge wurde um 1845 erbaut und ersetzte das erste 1771 errichtete Berwanger Synagogengebäude, das sich als zu klein und nicht mehr zeitgemäß erwiesen hatte. Für die Planung zeichnete Salinenwerkmeister Fritschi aus Rappenau verantwortlich, der dort zur selben Zeit die erste Synagoge erbaute. Bereits 1859 war eine Renovierung im Inneren der Berwanger Synagoge erforderlich geworden. Der Zugang zur Synagoge erfolgte über den Eingang der Schule. In der Reichspogromnacht wurde die Synagoge von SA-Schlägertrupps zerstört, wegen der angrenzenden Bebauung aber nicht angezündet. Unmittelbar danach wurde sie abgerissen.

 

3 Ehemaliges „jüdisches Badhaus“

Hausener Straße 20a

Waschtag in Berwangen um 1925/1926 auf dem Hof der Bäckerei Hartmann.

Bei dem Gebäude im Hintergrund handelt es sich um eine Mikwe, welche vom Volksmund oft „jüdisches Badhaus“ genannt wurde. Eine Mikwe ist ein durch Grund- oder Regenwasser gespeistes Becken, welches gläubigen Jüdinnen und Juden zur rituellen Waschung dient. Auf dem Foto sehen wir ganz links Marie Hartmann und sitzend ihre Schwester.

Familie Hartmann erwarb schließlich auch das Haus einschließlich der Mikwe. Es handelt sich dabei um ein eingeschossiges Schmalhaus. Das Tauchbecken der Mikwe befand sich im linken Teil des Gebäudes (braunes Ziegeldach). Der rechte Teil des Gebäudes wurde als Lagerraum für die Bäckerei Hartmann genutzt und war durch eine Wand abgetrennt. Heute wird das ganze Gebäude als Wohnhaus genutzt.

4 Ehemaliges jüdisches Schlachthaus

Neubaugasse 2

Das Schlachthaus in der Neubaugasse wurde seit 1880 von dem Schächter Salomon (Sally) Kirchheimer als solches genutzt. Der Ochsenkopf auf der Fassade, aber auch die zahlreichen Haken an den Wänden und Decken im Innern des Gebäudes zeugen von dieser Nutzung. Ein Schächter schlachtet das Vieh gemäß dem jüdischen Religionsgesetz, sodass es koscher ist, sprich von gläubigen Jüdinnen und Juden verzehrt werden darf. Salomon Kirchheimer verkaufte das Haus 1925 an eine ortsansässige Metzgerfamilie und verzog nach Künzelsau. Die NS-Zeit überstand dieses Gebäude deswegen unversehrt. Heute steht es unter Denkmalschutz.

In den 1920er Jahren war die Zahl jüdischer Familien in Berwangen bereits derartig gesunken, dass koscheres Fleisch kaum noch Abnehmer fand. Dies führte zum Leerstand der jüdischen Schlachthäuser. Die koscheren Schlachtungen wurden dann vom christlichen „Kronen-Wirt“ übernommen. Ein Jude vor Ort, der auch die Ausbildung und Befugnis für die Schächtung innehatte, schlachtete das Tier und der „Kronen-Wirt“ verarbeitete das Fleisch weiter. Auch hier kann man erkennen, dass der Austausch und sogar eine Arbeitsteilung zwischen christlichen und jüdischen Einwohnern Berwangens problemlos funktionierte.

 

5 Ehemaliges jüdisches Schlachthaus

Maiergasse 4

Dass es in Berwangen einen großen Bedarf an koscherem Fleisch gab, zeigt die Existenz eines zweiten jüdischen Schlachthauses. Viele jüdische Familien lebten in Berwangen vom Viehhandel. In diesem Gebäude wurde nicht nur geschächtet, sondern auch das koschere Fleisch verkauft. Neben dem koscheren Fleisch wurden in Berwangen auch Mazzen (ungesäuerte Brote) gebacken, die traditionell während des Pessach-Fests gegessen werden.

Das Schlachthaus gehörte zum Anwesen Aron Kirchheimers I. (geboren 1866), eines engagierten Mitglieds der jüdischen Gemeinde. Er war nicht nur Obmann des lokalen israelitischen Männervereins, sondern auch Mitglied des Gemeindevorstands. Der beliebte Berwanger Bürger entschied sich – womöglich aufgrund seines hohen Alters –, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland zu bleiben. Er wurde in das Internierungslager Gurs deportiert, wo er am 21. November 1940 starb.

6 Jüdischer Friedhof

Fürfelder Weg

Der jüdische Friedhof in Berwangen wurde Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt. Zuvor hatte die jüdische Gemeinde, die nachweislich seit 1719 in Berwangen besteht, ihre Toten auf den auf den jüdischen Friedhöfen in Heinsheim oder in Waibstadt bestattet.

Der Friedhof ist ca. 23 × 23 Meter groß und weist 101 Grabsteine auf. Der älteste Stein ist von 1877, die letzte Bestattung fand 1973 statt. Es handelt sich dabei um die Beisetzung Elsa Gutmanns geb. Vollweiler. Die 1887 geborene Elsa Gutmann war 1940 gemeinsam mit ihrem Ehemann Abraham von ihrem Heimatort Berwangen in das Lager Gurs deportiert worden. Sie überlebten etliche Lager in Frankreich, wurden von katholischen Nonnen in Frankreich versteckt und kehrten trotz ihrer Erfahrungen am 9. August 1946 nach Berwangen zurück, um wieder in ihrem eigenen Haus in der Badersgasse – dem alteingesessenen Haus der Familie Vollweiler – leben zu können. Abraham Gutmann verstarb bereits 1948 und wurde auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt. Nach dem Tod ihres Ehemannes übernahm Els, wie sie genannt wurde, die Verantwortung für den Erhalt des jüdischen Friedhofs Berwangen, pflegte die Gräber und initiierte die Aufstellung eines Gedenksteins für die in der Schoa ermordeten Berwanger und Berwangerinnen.

7 Ehemaliges Warenhaus Kirchheimer

Salinenstraße 42

Die beiden Häuser in der Salinenstraße 40 und 42 wurden im Jahr 1900 durch Leopold und Mina (Pauline) Kirchheimer als Wohnhaus (Nr. 40) und Kolonialwarengeschäft (Nr. 42) erbaut. Die Initialen des Erbauers und die Jahreszahl sind als Eisenziffern in der Backsteinfassade gut zu erkennen. Das Ehepaar war von der Hausener Straße hierher umgezogen. Während Leopold als Getreidehändler tätig war, betrieb seine Frau das Warenhaus im Erdgeschoss der Salinenstraße 42.

Leopold Kirchheimers Familie war mindestens seit vier Generationen in Berwangen ansässig, denn das Verzeichnis zur Annahme von Familiennamen aus dem Jahre 1809 führt einige Personen mit dem Nachnamen Kirchheimer auf. Er und seine Frau Mina hatten gemeinsam neun Kinder. Zwei seiner Söhne, Arthur und Sally, wurden während des Ersten Weltkriegs mit Medaillen ausgezeichnet, was im Juni 1916 im „Frankfurter Israelitischen Familienblatt“ verkündet wurde. Sally erlernte den Beruf des Schächters oder Metzgers und arbeitete in der Neubaugasse.

Quellenhinweise und Bildrechte

Ein Heimatbuch, Gemeinde Kirchardt, 1991
Ein 2. Heimatbuch, Gemeinde Kirchardt, 1993
Die historischen Fotos stammen - wenn nicht separat angegeben - größtenteils aus dem Archiv der Gemeinde Kirchardt bzw. aus den oben aufgeführten Heimatbüchern der Gemeinde Kirchardt, die aktuellen Fotos vom Autor selbst.

Auswahl nach Deportationsorten - Gedenkbuch für die Karlsruher Juden (informedia.de)
Alemannia Judaica, Eintrag Berwangen
Angerbauer, Wolfram / Frank, Hans Georg, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, Geschichte, Schicksale, Dokumente Landkreis Heilbronn 1986
Hundsnurscher, Franz / Taddey, Gerhard, Die Jüdischen Gemeinden in Baden, Denkmale, Geschichte, Schicksale, Stuttgart 1968
Frank, Werner, The Curse of Gurs, Way Station to Auschwitz, Charleston SC/USA 2016.

Weitere Informationen zur Geschichte des Ortes und Karten zu ehemaligen Gebäuden und Plätzen finden Sie hier auf der Homepage der Gemeinde Kirchardt unter den Rubriken: